Mittwoch, 8. Mai 2013 von Karin S. Wozonig
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Gescheitheit durch Kritik als Dichterinnenhindernis

Betty Paoli, eine der sinnigern Dichterinnen unserer Zeit, hat in ihrer Sammlung: „Lyrisches und Episches“ (Pesth, Heckenast, 1855), zum Theil die frühere Bahn, auf der sie mit großem Glück gewandelt, verlassen. … In der That, es rächt sich, wenn man einst eine sanfte, wie nur unter goldglühenden Orangen, purpurnen Granaten und mauresken Erinnerungen lebende andalusische Träumerin in der Poesie war und plötzlich sich entschließt, über das Burgtheater Recensionen zu schreiben. Betty Paoli ist eine Beurtheilerin der laufenden dramatischen Tageschronik in Wien geworden. Dieser anormale Stand hat ihr mehr kritischen Verstand aufgedrängt, als dem Herzen der Phantasie einer lyrischen Dichterin gutthut.

Karl Gutzkow über Betty Paoli, 1856

Dienstag, 7. Mai 2013 von Karin S. Wozonig
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Gescheitheit als Dichterhindernis

Die arme Paoli! die war ein Dichter, wenn sie ein bisserl weniger gescheidt gewesen wär ein noch größerer.

Ada Christen an Ferdinand von Saar, 7 Juli 1894

Freitag, 26. April 2013 von Karin S. Wozonig
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extremely charming if somewhat sad

Die Zeitschrift Musical Times and Singing Class Circular vom 1. May 1890 berichtet über ein Konzert in der St Jame’s Hall in London:

The vocalist, Mr. Norman Salmond, decidedly improved his position by his declamatory but perfectly legitimate rendering of “O ruddier than the cherry.” He also introduced an extremely charming if somewhat sad little song, “Good Night,” by Battison Haynes, in which the composer has caught the spirit of the German verses by Betty Paoli.

Die interessante Frage der Digitalisierung

Vor einiger Zeit habe ich einen Buchbeitrag zum Thema Literaturkritik im Medienwechsel verfasst. Ich habe hier in diesem Blog darüber berichtet, dass mich das Lesen einer konventionellen Buchbesprechung in einer so genannten Qualitätszeitung (gedruckt) von der Literatur wegtreiben könnte (hätte ich weniger Erfahrung mit solchen Besprechungen und mit Literatur), wohingegen mich Texte über Literatur, geschrieben von Menschen die auch Literatur schreiben, oft zur Literatur hinführen.

Über den Medienwechsel nachzudenken, bedeutet auch in Erwägung zu ziehen, dass Bücher aus Bytes weniger Buchqualität haben als Bücher aus Papier. Dagegen lässt sich einwenden, dass ohne google books oder ähnliche Digitalisierungsprojekte viele Bücher aus Papier verlorengehen würden. Oder dass manches Buch, das es nicht in die Presse schafft, elektronisch gelesen werden kann. Oder dass Literaturkonsum unter elektronischer Leserbeteiligung der Literatur einen größeren Stellenwert im täglichen Leben der Menschen einräumt; zumindest einer bestimmten Form von Literatur. In ein paar Jahren werden wir uns den Bauch halten vor Lachen über die Verwirrung, die „das Internet“ einst gestiftet hat.

Erschienen ist mein Beitrag über die Literaturkritik im Buch „Literatur und Digitalisierung“, herausgegeben von Christine Grond-Rigler und Wolfgang Straub. In ihrer Einleitung beobachten die beiden Herausgeber m.E. ganz richtig:

Die eigentlich interessante Frage ist nicht, ob es in Zukunft noch Bücher geben wird, sondern ob es weiterhin Literatur geben wird, die durch die besondere Kombination der drei Parameter Welthaltigkeit, individualisierte Autoren-Perspektive und Schriftlichkeit unser kulturelles Gedächtnis bereichern und prägen wird.

Donnerstag, 14. März 2013 von Karin S. Wozonig
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Privilegierte Orte der Selbsterschaffung

Und wieder kann ich von einem Artikel aus meiner Feder berichten: „Nichtlineares Erzählen. Die chaostheoretische Literaturwissenschaft und ihre Möglichkeiten“ habe ich für das Buch Kultur – Wissen – Narration. Perspektiven transdisziplinärer Erzählforschung für die Kulturwissenschaften verfasst. Der Band wurde von der Grazer Kulturwissenschaftlerin Alexandra Strohmaier herausgegeben, die darin Beiträge einer Tagung und weitere Texte zusammengestellt hat. Die einzelnen Bereiche des Buchs beschäftigen sich mit „Narration und Narratologie(n)“, „Wissen und Narration“ und „Narration (und ihre Grenzen) in Literatur, Kunst und Alltagskultur“.

Wie im vorigen Blogbeitrag ausführlich erklärt, interessiert mich die Frage, wie Leben erzählt werden – von denen die sie leben und von den anderen, z.B. von Biographinnen. In mehreren Beiträgen in Kultur – Wissen – Narration finden sich dazu anregende Thesen. So mündet der Text von Bettina Rabelhofer zum „Erzählen in der Psychoanalyse“ (343-358) in die bedenkenswerte Beobachtung:

Die Couch und die Literatur sind jene privilegierten Orte, an denen symbolische Selbsterschaffung stattfindet.

Samstag, 23. Februar 2013 von Karin S. Wozonig
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Die Dichterin und ihre Germanistin

Frisch aus der Druckerpresse kommt der Tagungsband „Der Dichter und sein Germanist“, der die Konferenz gleichen Titels zu Ehren des Wiener Literaturwissenschaftlers Wendelin Schmidt-Dengler (1942-2008) dokumentiert. Ich habe dafür den Beitrag „Self-fashioning und Anekdote. Betty Paoli und ihre Biographien“ geschrieben und freue mich, den jetzt gedruckt zu sehen. (Ich freue mich immer, Texte von mir gedruckt zu sehen, immer allerdings mit einer mehr oder weniger langen Anlaufzeit, in der ich erst einmal darüber hinwegkommen muss, dass ich es hätte besser machen können. Man hätte es immer besser machen können, wenn einem anders immer schon als besser gilt, das ist der Nachteil der vielen Möglichkeiten).

Dass ich die Gelegenheit bekommen habe, diesen Text zu schreiben, freut mich aus mehreren Gründen. Erstens ist mir Schmidt-Dengler aus meinem Studium als besonders belesener und humorvoller Germanist im Gedächtnis geblieben. Zweitens war es eine interessante Konferenz und die Veranstalter(innen) haben ein vielfältiges Programm zusammengestellt. Ich habe viel gelernt. Und drittens: Ich habe die Konferenz, meinen Beitrag und die Gespräche darüber dazu genützt, über das Schreiben einer Betty-Paoli-Biographie nachzudenken. Dabei habe ich mich gefragt, wie das denn so sei mit der Erfindung versus der Dokumentation eines Lebens.

Soweit ich sehen kann, erzählen alle, die den Luxus des ungestörten Nachdenkens und die Freiheit der Entscheidung haben, sich und anderen eine Geschichte ihres Lebens ganz nach Bedarf und Bedürfnis, mit Auslassungen, Hinzufügungen und Verdrehungen. Ich finde das gut, denn das verhindert, dass man sich unsympathisch wird. Stellen Sie sich vor, Sie würden sich über jede Ihrer Handlungen und Entscheidungen aufrichtig Rechenschaft geben und alle Ihre Motive unverhohlen vor sich selbst und anderen ausbreiten. Ich vermute, Sie würden sich unsympathisch finden und meiner Erfahrung nach sind Menschen, die sich selbst unsympathisch finden überdurchschnittlich anstrengend.

Aus dem habituellen Erzählen, das heißt Konstruieren der eigenen Biographie folgt, dass Autobiographien üblicherweise stark fiktionalisiert sind, in dem Sinne, dass ihre Bestandteile in eine gute Geschichte verpackt werden, mit geringem Gewicht auf faktischen Kausalzusammenhängen. Was aber, wenn man auf einer rudimentären (und notwendigerweise fiktionalisierten) Autobiographie bei spärlicher Dokumentenlage aufbauend die Biographie eines anderen Lebens erzählen möchte? Wem soll diese Erzählung passen? Der Person zu der die Biographie gehört? Den projektierten Leserinnen und Lesern? Der Autorin der Biographie?

Um die Sache noch komplizierter zu machen, spreche ich (hier im Blog und in meinem oben erwähnten Beitrag für den Sammelband „Der Dichter und sein Germanist“) über die Biographie einer Person, nämlich Betty Paoli, die subjektive Lyrik mit einem lyrischen Ich im Zentrum geschrieben hat, das gut und mit Grund (und wenn wir die Literaturwissenschaftlerregel Nummer eins weglassen, die besagt dass das lyrische Ich nie, nie, nie der Autor/die Autorin ist) für die Stimme der Dichterin selbst gehalten werden kann; und von ihren Zeitgenossen und Freunden gehalten wurde. Die Persona (das lyrische Ich) vieler Gedichte Paolis und die Dichterin teilen Erlebnisse und Erfahrungen, das zumindest macht uns Paoli glauben. Bekenntnis- und Erlebnislyrik ist die Kunst der poetischen Authentizität. Sie ist das Paradox der künstlichen Echtheit. Und Betty Paoli beherrschte diese Kunst, die für eine Biographie zu nützen wäre. Das habe ich vor. Über das Resultat werde ich in diesem Blog berichten.

Mittwoch, 13. Februar 2013 von Karin S. Wozonig
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Salongespräche gehen weiter

Nächste Woche werde ich wieder ein Kaffeehausgespräch leiten, oder eigentlich: Ich initiiere es nur und gebe eine kurze Einleitung in das Thema des Tages. Das Gespräch selbst folgt dann seiner eigenen Dynamik.

Die Idee zu diesem Salon stammt ursprünglich von Erika Werner. Sie hat mit den Lesungen mit Musik, die sie für ihren Verein S.T.I.L. e.V. gestaltet hat, kleine und größere Veranstaltungsorte in Hamburg „bespielt“. Darunter war ein Lokal mit dem Namen Heile Welt, etwas versteckt in einem Hinterhof auf der Weidenallee. Erika mochte den Ort und überlegte sich, wie man ihn bekannter machen und für stärkeren Zulauf sorgen könnte. Eine regelmäßige Veranstaltung wäre eine gute Idee, meinte sie. Also erfanden wir die Kaffeehausgespräche. Die Heile Welt ist trotzdem untergegangen. Aber im Chavis haben wir einen passenden Ort für die angeregten Unterhaltungen über Literatur, Bücher, das Wetter und das Leben gefunden. Und derzeit ist es die Konditorei in Davis, die den Rahmen und den Marmorkuchen zum Salon bietet.

Professionell Literatur zu lesen verstellt manchmal den Blick auf den schieren Unterhaltungswert, den sie haben kann. Im Salon über Bücher zu sprechen, ohne den Anspruch, die „angemessene“ Interpretation zu liefern oder alle Feinheiten der Sprache zu ergründen, und das Reden über Literatur ganz ohne Vermittlungsabsicht haben mir viele Einsichten in mein Feld beschert. Und ich habe nicht nur Bücher, sondern auch interessante Menschen kennen gelernt, im Salon. Deshalb: Er geht weiter, am 22. Februar.

Montag, 4. Februar 2013 von Karin S. Wozonig
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Verloren

Erika Werner, lange Zeit „Lektorin für schöne Literatur“ und Organisatorin von Lesungen bei den Hamburger Bücherhallen, Gründerin von S.T.I.L. e.V. und Ideengeberin für die Kaffeehausgespräche, ist tot. „Hamburgs Grande Dame der Literatur“ (© Die WELT) war eine Literaturkennerin und eine Gesprächspartnerin, von der immer überraschende und erhellende Einsichten zu erwarten waren.

Ihre Moderationen bei den S.T.I.L. e.V.-Veranstaltungen waren Ausdruck ihrer Meinung, dass die Literatur zum Leben gehört wie gutes Essen und Trinken. Erika Werner war der Überzeugung, dass es am besten sei, zu „lesen, was dasteht“ – ein Motto, dem sie einmal eine ganze Veranstaltung gewidmet hat.

Erika Werner hat die Kunst des Lesens im besten Sinne und mit all ihrer Komplexität beherrscht. Sie wusste, dass, wer einen Text verstehen will, sich von ihm etwas sagen lassen muss; dass der Vorgang des Lesens Bedeutungen gleichzeitig herstellt und sie auflöst.

Die Literatur ist um eine große Leserin ärmer.

Mittwoch, 9. Januar 2013 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und Jakob Kaufmann

Betty Paoli hatte viele interessante Freundinnen und Freunde. Durch ihre literarischen Erfolge lernte sie Dichter, Verleger und Redakteure kennen und bei ihrer Arbeit als Gesellschafterin traf sie auf die Salongäste ihrer Arbeitgeberinnen, auf Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler, Politiker und Mäzene. Für Paoli waren diese Beziehungen sehr wichtig, denn sie verschafften ihr die soziale Anerkennung, die sie qua Geburt (Stand und Geschlecht) nicht hatte. Die Freundschaftssemantik nimmt deshalb auch einen wichtigen Platz in Paolis Lyrik ein.

Die Anfrage eines Doktoranden, der sich mit einem Autor aus Paolis Freundeskreis beschäftigt, der heute fast vergessen ist, hat mich dazu gebracht, ein Huldigungsgedicht Paolis an diesen brüderlichen Freund, Jakob Kaufmann, wieder zu lesen. Kaufmann nahm an den vormärzlichen Bewegungen in Österreich und Deutschland Teil und war Mitarbeiter von Gustav Freytag bei den „Grenzboten“.

An Jakob Kaufmann

In der Heimath trauter Haft
Wolltest du nicht weilen;
Mög‘ auf deiner Wanderschaft
Dich mein Gruß ereilen.

Schmerzlich, freudig, mög‘ er dich
An die Zeit gemahnen,
Wo für flücht’ge Stunden sich
Kreuzten unsre Bahnen.

O wie froh ließ ich dein Wort
Meinen Geist umranken,
Und empfing von dir den Hort
Ew’ger Lenzgedanken!

Einen Strom von Poesie
Fühlt‘ ich mich umschwellen,
Meine Seele läuternd, wie
Heil’gen Stromes Wellen! –

Bruder! grüße ich dich leis‘
Hier in meinem Sange,
Weil ich keinen Namen weiß,
Der von süßrem Klange.

O gewiß! dein Herz verkennt
Nicht was meines flüstert:
Daß wir, ob für stets getrennt,
Doch für stets verschwistert.

Mittwoch, 28. November 2012 von Karin S. Wozonig
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Über den Weltschmerz

Ich kann vermelden, dass ein neuer Artikel von mir erschienen ist, und zwar:

„Die Schwester Lenaus? Betty Paoli und der Weltschmerz.“ In: Edinburgh German Yearbook Bd. 6, Sadness and Melancholy in German Literature and Culture. Herausgegeben von Mary Cosgrove und Anna Richards. Rochester, New York: Camden House 2012. S. 71-94.