Samstag, 25. Februar 2023 von Karin S. Wozonig
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Altes

„Die Blätter sind überhaupt voll prächtiger Nachrichten. – Vor Allem die Berichte vom glorreichen Custozza-Tage – Du solltest Dir diese Zeitungen aufheben, Martha.“
Und ich habe sie aufgehoben. Das sollte man immer thun; und wenn ein neuer Völkerzwist heranzieht, dann lese man nicht die neuesten Zeitungen, sondern die, welche von vorigem Kriege datieren, und man wird sehen, was all den Prophezeiungen und Prahlereien und auch den Berichten und Nachrichten für Wahrheitswert beizumessen ist. Das ist lehrreich.

Bertha von Suttner: „Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte“ (1889)

Freitag, 3. Februar 2023 von Karin S. Wozonig
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Nichts Neues

Franz Grillparzer

„Der über allen Parteien schwebende Geist der Poesie“

Was es mit diesem Geist auf sich hat? Es ist der Geist von Betty Paoli. Die Parteien sind Maria Anna Schwarzenberg, ihr Sohn Friedrich (der „Landsknecht“), Hieronymus Lorm, Adalbert Stifter und andere. Nachzulesen hier: Urte Stobbe und Claude D. Conter (Hg.). Adel im Vormärz.

Mittwoch, 11. Januar 2023 von Karin S. Wozonig
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Wie man es lieber nicht machen sollte

Ich schreibe gern Rezensionen. Jetzt kann man in einer davon nachlesen, wie man es lieber nicht machen sollte: Besprechungen con amore. Der Briefwechsel von C. F. Meyer mit Hermann Lingg und Paul Heyse gibt einen Einblick in literarische Koterie

Sonntag, 18. Dezember 2022 von Karin S. Wozonig
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Zur Winterunterhaltung in den Süden

Ich habe mir von Halle zur Winterunterhaltung die Geschichte Roms im Mittelalter von Gregorovius, einem meiner Lieblingsschriftsteller, mitgebracht. Denn in Ihren Willkommensruf an den schönen, weißen Winter stimme ich nicht ein; so lange ich von meinem Leben weiß, ist er mein Todfeind gewesen, habe ich mich bei seinem Nahen leidenschaftlich unter einen milderen Himmel gesehnt und da mir niemals Flügel wachsen wollten, hätte ich mich gern unter die Erde gekrabbelt, um wie ein Murmeltier das unholde Walten zu verschlafen. Da bin ich denn schließlich auf das Hülfsmittel verfallen, mich durch die Phantasie – die schwächste Partie meines Ingeniums – in glücklichere Zeiten und Zonen zu versetzen. Vorig Jahr war Griechenland dran; heuer Rom. Die 8-10 dicken Bände füllen wohl – täglich ein paar Stündchen – die langen, kümmerlichen Monde aus.

Louise von François an C. F. Meyer, Oktober 1881

Mittwoch, 19. Oktober 2022 von Karin S. Wozonig
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Literarische Nachleucht-Farbe

Thomas Stangl hat einen Glow-in-the-dark-Roman geschrieben. Ja, das Cover leuchtet in der Dunkelheit – Matthes & Seitz macht’s möglich. Außerdem bleibt aber auch vieles des Inhalts dunkel und aus diesem Dunkel leuchten einzelne Erzählstränge hervor, die den Großmüttern des Autors, der Familie Brontë und dem Kaiser von China, dem sprichwörtlichen, folgen.

Keine Zeile lang vertraut Thomas Stangl dem „So tun als ob“, das die Grundvoraussetzung der Romanlektüre ist. Oder war. Seit einiger Zeit sickern und bröseln in die Literatur die Konzepte Identitätserschütterung und kulturelle Aneignung hinein, beides nur mit nichtfiktionaler Authentizität zu haben. Für manche gilt: Da kann man gleich Autofiktion schreiben. Thomas Stangl macht es anders und mischt sich als Autor mit Skrupeln ein: Der Kaiser von China kann ich sein, auch Branwell und Emily Brontë, bei meinen Großmüttern und einem 1938 in den Selbstmord getriebenen Juden muss ich passen, lässt er uns durch Zwischentöne (nicht -rufe) wissen.

Ich würde keine stringent erzählte Geschichte über den total durchgeknallten Kaiser von China lesen wollen. Aber bei den Brontës bedauere ich es doch ein bisschen, dass Thomas Stangl sich nicht mit einem historischen Roman zufriedengeben würde. Denn schon in den kurzen Erzählpassagen über den Trinker Branwell und die solipsistische (und dann auch wieder ganz nicht-solipsistische) Emily Brontë stecken Einsichten in Leben, die wirken wie die Irrlichter über dem Moor, oder Nachleucht-Farben auf Papier. Mehr davon würde mir gefallen (19. Jahrhundert auch nicht ganz unwichtig).

Stangls Großmütter reihen sich ein in die Riege der literarischen Großmütter, die an den Formwandler Odo aus Deep Space Nine gemahnen. Was dieser Autor anders macht als die anderen, ist der Versuch der Überwindung der Todesangst und des Todes durch das Erzählen, fast ohne zu erzählen. Wieder einmal keine leichte, aber eine lohnende Lektüre. Thomas Stangl: Quecksilberlicht. Roman. Matthes & Seitz 2022. 267 Seiten.

Dienstag, 18. Oktober 2022 von Karin S. Wozonig
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„Im Tempel hier hat auch die Frau ein Recht“

Selbst- und Fremdermächtigungsakte in der Literatur und im Literaturbetrieb feiern gerade ein Comeback. Falls Sie einen Blick auf die Anfänge werfen wollen, haben Sie heute dazu Gelegenheit: Veranstaltung in der Wienbibliothek („vor Ort“ und nachzuschauen im „Stream“).

Franz Grillparzer: „Im Tempel hier hat auch die Frau ein Recht“ – Frauen, Dramen, Liebe, Kunst.
Dienstag, 18. Oktober 2022, 18.30 Uhr Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus (Rathaus, Eingang Lichtenfelsgasse, Stiege 6 (Glaslift), 1. Stock, 1010 Wien)

Donnerstag, 8. September 2022 von Karin S. Wozonig
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War er’s? Oder war er’s nicht?

Ich hatte das große Vergnügen, bei der Summer School der „Kommission für Interdisziplinäre Schubert Forschung“, kurz Schubert Research Center, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mitzuwirken. Das Überthema war gut gewählt: „Sexuality and Gender in Schubert’s Time“. Da lässt sich allerhand darüber sagen. Anke Charton hat den Teilnehmenden „Historicizing Gender“ nähergebracht, Mark Seow „Performing Queerness“ und Waltraud Schütz „Gender Norms“.

Ich habe mich auf die Liebeslyrik verlegt und über die Hintergründe der Ambivalenz gesprochen, die in jedem guten Biedermeiergedicht zu finden ist, und über die Geschlechterrollen, die hier abgebildet, eingeübt oder unterlaufen werden. Sex kam auch vor.

Es ist ja nicht so, dass ich über die Liebeslyrik von, sagen wir, Betty Paoli nicht schon einiges wüsste – Eduard Mörike war auch Thema (das war der mit dem Sex), Heinrich Heine natürlich, und Wilhelm Müller, selbstverständlich auch die geniale Annette von Droste-Hülshoff und außerdem Gabriele Baumberg -, aber: Wenn man einer Gruppe von fünfzehn Menschen, die unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen betreiben, unterschiedlich viel Lebenserfahrung haben und aus unterschiedlichen Ländern kommen, ein Gedicht in die Hand gibt, tun sich ganz neue Bedeutungen auf, zumal bei einer Gruppe wie jener der Summer School, in der auf hohem Niveau über die sprachlichen Mittel für den Gefühlsausdruck diskutiert wurde.

Auch eine Summer School braucht ein Rahmenprogramm, und so kam ich in den Genuss einer kleinen, beeindruckenden Schubertiade mit Irma Niskanen und Joonas Ahonen – wie passend für diese wissenschaftlich-künstlerische Zusammenkunft im Herzen von Wien, angeregt und mit Hingabe organisiert von Andrea Lindmayr-Brandl.

Den ersten Input dieser Sommerakademie lieferte Hans-Joachim Hinrichsen mit seiner Session über „Schubert’s Sexuality“. Und wenn ich das richtig sehe, waren sich am Ende alle einig, dass es nicht wichtig ist, ob Schubert schwul war oder nicht, dass es aber sehr wichtig ist, ob wir diese Frage stellen und wie wir sie stellen. Der Ton macht die Musik.

Mittwoch, 15. Juni 2022 von Karin S. Wozonig
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Mit Varnhagen in die Sommerfrische

Der Juni ist die Zeit, in der es in Wien heiß wird. Und deshalb begibt man sich aufs Land, in die Sommerfrische, zum Beispiel nach Baden bei Wien. Betty Paoli macht es jahrelang so, auch im Jahr 1858. Die Vorbereitungen dazu machen ihr offensichtlich keinen Spaß.

Ich ziehe morgen hinaus, bin heute mit Packen beschäftigt und deßhalb, wie unter solchen Umständen natürlich, in einer Menschenfresserlaune.

Natürlich werden für den Aufenthalt im Grünen auch Bücher eingepackt. Ida Fleischl zum Beispiel wünscht sich in diesem Jahr Karl August Varnhagens Denkwürdigkeiten, immerhin sieben Bände.

Jüngst hat Peter Sprengel ein detailreiches Buch über Varnhagens erotisch affizierten Briefwechsel mit der Engländerin Charlotte Williams Wynn geschrieben, und ich eine Rezension darüber.

Dienstag, 10. Mai 2022 von Karin S. Wozonig
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Lied an das Beerchen

Nun ist es Zeit

Nun ist es Zeit!
Die Schwalbe pickt ans Fensterglas,
Es sprießt empor das junge Gras,
Vom Eise ist der Fluß befreit,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit!

Nun ist es Zeit!
Hervor ihr Blümlein roth und blau,
Hervor ihr Veilchen auf der Au,
Hervor in eurem schönsten Kleid,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit.

Nun ist es Zeit!
Ihr Vöglein über’m blauen Meer,
Du Nachtigall, nur rasch hieher,
Schon schwillt das Beerchen auf der Haid,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit.

Nun ist es Zeit!
Nun Frühling auf! mit aller Macht,
Mit Sang und Klang und Blüthenpracht,
Mit deiner höchsten Seligkeit,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit.

Aus „Frühlingsblätter“. Liederkranz von Johann N. Vogl, erschienen in Vesta. Taschenbuch für das Jahr 1835, dem Almanach, in dem auch das vorstehende Frühlingsgedicht Grillparzers abgedruckt wurde.