Montag, 19. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Königinnen, Erzieherinnen

Die Schrifstellerin Betty Paoli war eine der konservativen Theoretikerinnen der sogenannten Frauenfrage, i.e. der Frage nach der sozialen Position von Frauen, besonders nach dem Zugang zur Erwerbstätigkeit. Ein Feuilleton mit dem Titel „Ein Wort Pombals“, eine Reaktion auf die Schlacht von Königgrätz (1866), nützte Paoli für ein Plädoyer. Die Bereiche, in denen Frauen außerhalb des Hauses tätig werden konnten, sollten ihrer Meinung nach ausgeweitet werden. Hier nun der dritte Teil der Montag-Blog-Serie zu diesem Text.

Nach einer Ausführung über Maria Theresia, Isabella von Galizien, Elisabeth von England und Katharina von Russland fährt Paoli fort:

Es tut übrigens nicht Not, den Blick zu diesen Höhen des Daseins zu erheben, um den Widerspruch gewahr zu werden, in dem unsere sozialen Einrichtungen den Frauen gegenüber mit sich selbst stehen. Einerseits erklärt man sie für unfähig, die Geschäfte zu versehen, welche man dem allergewöhnlichsten, allerunbedeutendsten Manne unbedenklich anvertraut, andererseits überlässt man ihnen das Wichtigste und Folgenreichste: die Erziehung des heranwachsenden Geschlechtes. Wenn dies nicht der sträflichste Leichtsinn, ist es die schreiendste Ungerechtigkeit. Stehen die Frauen wirklich so niedrig, wie ihr, nach den Beschränkungen zu schließen, die ihr ihnen auferlegt, zu glauben scheint, dann ist es eure Pflicht, ihnen jeglichen Wirkungskreis zu entziehen. Dann mögt ihr alle eure Sorgen allein tragen und eure Kinder in öffentlichen Staatsanstalten erziehen lassen. Ob ihr euch dabei besser befinden werdet? Ich glaube es nicht, doch mindestens werdet ihr konsequent handeln. Gesteht ihr aber den Frauen den Wert, die Ausdauer, die Hingebung und Intelligenz zu, deren es bedarf, um den Pflichten, die sie als Wahrerinnen des häuslichen Wohlstandes, als Erzieherinnen ihrer Kinder erfüllen sollen, zu genügen, dann verwehrt ihnen nicht länger die Möglichkeit, diese Eigenschaften auch in einer anderen Sphäre zu betätigen. Warum sie dies anstreben? Weil „die ungestüme Drängerin, die Not“ sie dazu zwingt! Weil viele von ihnen sich auf niemanden und auf nichts als nur die eigene Arbeitskraft zu stützen haben! Weil sie, durch ein grausames Vorurteil von den meisten Erwerbsgebieten ausgeschlossen, dem Elend oder dem Laster anheim fallen müssen!

Montag, 12. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Königgrätz, Wohltätigkeit, Frauenfrage

Zweiter Teil
Auf die Schlacht von Königgrätz (3. Juli 1866) reagierte die Schriftstellerin Betty Paoli mit einem Feuilleton, in dem sie dazu aufruft, Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Hier ein weiterer gekürzter Ausschnitt aus dem Text:

Befände sich der Staat auch nicht in seiner gegenwärtigen Bedrängnis, so könnte er den, ob noch so gerechten, Ansprüchen dieser hilflosen Schar doch immer nur in unvollständiger Weise genügen. Wie die Sachen jetzt stehen, kann er für sie nicht mehr tun, als wozu Gesetz und Norm ihn verpflichten. Er ist nicht in der Lage, großmütig sein zu dürfen. Ebenso eitel wäre ein Aufruf an die Privatwohltätigkeit, wie herrlich sich diese auch neuerdings bewährt hat. Zudem dürfte es unter den Hilfsbedürftigen viele geben, deren durch Erziehung und Bildung gestärktes Selbstgefühl sich gegen eine Unterstützung, wie man sie Bettlern reicht, empören und sie bestimmen würde, lieber zu darben, als Almosen zu empfangen. Für diese – die Unglücklicheren, weil sie die Edleren sind – muss Sorge getragen werden. Die sicherste, ehrenvollste und vorteilhafteste Weise, in der dies geschehen kann, besteht darin, dass man ihnen Erwerbsquellen erschließe, die in anderen Ländern schon längst den Frauen zugänglich sind. Hier ist das Gebiet, auf welchem der Staat und Private sich zu gemeinschaftlichem Wirken vereinigen könnten; jener, indem er nach dem Beispiel Frankreichs, der Schweiz usw. seine Post-, Stempel- und Telegraphen-Bureaus zum Teil von Frauen verwalten ließe; diese, indem sie sich endlich von dem albernen Vorurteil lossagten, der beschränkteste Mann sei zu einer Anstellung in einem Geschäft, einem Comptoir, einer Schule besser befähigt als die intelligenteste Frau.

Montag, 5. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und die „Frauenfrage“

Erster Teil

In der Schlacht bei Königgrätz trafen am 3. Juli 1866 die Truppen Preußens auf die Armeen Österreichs und Sachsens. Durch den Sieg in dieser Schlacht mit tausenden Toten wurde Preußen Führungsmacht in Deutschland, was für das Österreichische Kaiserreich weitreichende Folgen hatten. Kaiser Franz Joseph war nach der verheerenden Niederlage zur Kapitulation und zur Abtretung Venetiens an Napoleon III. gezwungen. Österreich schied aus dem Deutschen Bund aus und Preußen annektierte Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt und schuf den Norddeutschen Bund. „Unter dem frischen Eindrucke tiefster  Erschütterungen“ reagierte die Schriftstellerin Betty Paoli auf das Ereignis mit dem Feuilleton „Ein Wort Pombal’s“. Hier ein Auszug:

Ich denke, es ist für uns alle an der Zeit, uns das Wort zurückzurufen, mit dem Pombal die portugiesische Königsstadt vom Untergang rettete. Der Boden, auf dem wir so sicher zu wandeln glaubten, begann zu wanken, Flammen schlugen daraus empor, die Gebäude, die unser Hoffen darauf gegründet hatte, sind eingestürzt und haben im Einsturz Tausende und Abertausende erschlagen. – Nie war eine Trauer berechtigter! Wenn sie nicht zur Verzweiflung werden soll, muss sie in tatkräftiger Liebe den Aufschwung und die Versöhnung finden. Das ist der Sinn des Wortes: „Wir wollen die Toten begraben und für die Lebenden sorgen!“ Aber diese Teilnahme soll sich nicht bloß auf die unmittelbaren Opfer des Krieges beschränken, sie muss sich auch auf jene erstrecken, denen er ihre Stütze geraubt, deren fernere Existenz er gefährdet hat. Auch für diese muss gesorgt werden! Vor allem für die Witwen und Waisen der Gefallenen und für die noch größere Zahl derjenigen, die für den verstümmelten Vater, Gatten oder Bruder, der bisher ihr Ernährer war, nun ihrerseits sorgen müssen. [Fortsetzung folgt]

Sonntag, 16. Mai 2010 von Karin S. Wozonig
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Die Elektrisier-Maschine im Haus

Betty Paoli war, wie bereits erwähnt, bei Sigmund Freud in Behandlung, er wandte an ihr die Elektrisier-Therapie an. Später ließ sich Paoli regelmäßig hypnotisieren, allerdings nicht von Freud, sondern von Ludwig Frey. Der Hausarzt der Familie Fleischl-Marxow und Betty Paolis war Josef Breuer. Über die zahlreichen Krankheiten Paolis und über die diversen Therapien, denen sich die etwas hypochondrisch veranlagte Schriftstellerin unterzogen hat, berichtet Helene Gasser, angestellt im Hause Fleischl-Marxow seit 1864:

Auch über ihre Krankheiten, die Curen, die sie gebraucht hat wäre viel zu schreiben; man hat da sogar was gelernt. Anfangs hat sie im Arm längere Zeit Schmerzen gehabt, […] da hat Dr. Breuer das Massieren verordnet, […] ob es geholfen hat, das weiss ich nicht mehr. […] Einmal frägt mich die gnäd. Frau: „Du, was soll ich dem Frl. zu ihrem Geburtstag kaufen?“ u. ich sage „na, eine Elektrische Maschine.“ „Was fällt Dir denn ein“, hat die Gnädige gemeint. Es hat nicht lange gedauert da war eine da; anfangs hat Dr. Breuer seine geliehn, dann war eine im Hause.

Donnerstag, 13. Mai 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli, Elektrizität und Literatur

Vor einigen Tagen habe ich davon berichtet, dass die Lyrikerin und Journalistin Betty Paoli von Sigmund Freud „electrifiziert“ wurde. Es handelt sich beim Elektrisieren um eine Behandlung neurologischer Beschwerden, die Freud bei dem Französischen Arzt Jean-Martin Charcot kennengelernt hatte. Was Literatur und Elektrizität miteinander zu tun haben, können Sie in einem interessanten Aufsatz von Rupert Gaderer, derzeit Post-Doc am Graduierten Kolleg Mediale Historiographien (Bauhaus-Universität Weimar, Universität Erfurt und Friedrich-Schiller-Universität Jena), nachlesen.

Samstag, 8. Mai 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli bei Goethes Schwiegertochter

Tagebuch Ottilie von Goethe, 8. Mai 1855: „Abends kam Fl Glück war sehr amüsant.“

Mittwoch, 5. Mai 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und Sigmund Freud

Betty Paoli schreibt am 5. Mai 1888 an Helene Bettelheim-Gabillon:

Ich werde jetzt täglich von Dr. Freud electrifiziert, und genieße die Annehmlichkeit mich jeden Morgen um neun Uhr auf dem Schottenring einfinden zu müssen, denn der Apparat ist so mächtig groß, daß man ihn nicht Tag für Tag transportieren kann.

Sonntag, 2. Mai 2010 von Karin S. Wozonig
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Familienliteratur

Kürzlich erschien von mir ein Aufsatz über den einzigen Roman, den Betty Paoli verfasst hat („Die Ehre des Hauses“, 1844). Details können Sie hier nachlesen.

Dienstag, 27. April 2010 von Karin S. Wozonig
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Geselligkeit mit Betty Paoli

Anfang April 1861: Also um 5 Uhr: Erster Besuch im Salon Laube, zur täglichen Empfangsstunde. Frau Iduna saß auf ihrem Sofaplatz … Laube fragte die Dichterin Betti Paoli, ob es wahr sei, daß … na, irgend etwas, das er über sie gelesen habe. „Ach“, sagte die Paoli, schlug die schönen dunklen Augen gen Himmel und machte einen Zug an ihrer langen Zigarre,  „ach nein, das hat ja nur dieser Esel von Cerri geschrieben!“ Laube: „Hier sitzt er!“

Erinnerungen an das alte Burgtheater. Von Auguste Wilbrandt-Baudius. In: Der Greif, 1. Jg.,  2. Bd. 1914

Montag, 12. April 2010 von Karin S. Wozonig
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Göttinnen-, Musen, Nymphen- und Blumennamen

Der Druck, der [im Vormärz] auf dem Drucke lastete, hat eine doppelte Literatur hervorgerufen: eine, die sich ihm fügte, eine andere, die ihm entfloh. […] Ersterer Richtung entsprang die für jene Zeit charakteristische, in üppiger Fülle aufsprossende Saat der im alltäglichen Sinne durch Einband und Inhalt elegant sein wollenden Wiener Almanachs- und Taschenbücherliteratur, unter deren, allen Kreisen der antiken Mythologie und der einheimischen wie fremden Pflanzenwelt entliehenen Göttinnen-, Musen, Nymphen- und Blumennamen, auf goldgeränderten Blättern meist dilettirende Verskünstler harmlose Gefühle und Einfälle preisgaben.

Aber auch echte Dichter wie Bauernfeld, Betty Paoli, Deinhardstein, Frankl, Gabriel Seidl, Nepomuk Vogl, der schwungvolle Sänger der ‚Todtenkränze‘ und der ‚Nächtlichen Heerschau‘, Zedlitz, der feinsinnige Verfasser der Detail-‚Studien‘, Adalbert Stifter, ja selbst Grillparzer, dessen plastisch gemeisseltes Charakterbild ‚Der alte [!] Spielmann‘ zuerst in der ‚Iris‘ erschien, und Fr. Halm verschmähten es nicht, in die durch alle Stände sich ausbreitende Region von Seide und Gold schimmernder, ungefährlicher ‚Lesefrüchte‘ herabzusteigen.

Robert Zimmermann: Wissenschaft und Literatur. In: Wien, 1848-1888: Denkschrift zum 2. Dezember 1888. Herausgegeben vom Gemeinderathe in Wien, Wien 1888