„Ein Dichter wie Puschkin gehört der Welt an,“ entgegnete sie. „Wäre ich die alleinige Besitzerin seiner Werke, und wollte ihr diese vorenthalten, so verdiente ich, daß man mir auf der Folter die Auslieferung jener Schätze abpreßte, auf die Aller Herzen, die sich für Schönes regen, ein Recht haben. Was aber der Mensch Puschkin dachte und fühlte, hoffte und besorgte, genoß und litt, was er in der kindlichen Arglosigkeit seiner Seele gegen Die aussprach, die er menschlich liebte und achtete, das gehört nicht für die Oeffentlichkeit.“
Betty Paoli: „Aus den Papieren eines deutschen Arztes“. In: Die Welt und mein Auge. Novellen. Pesth: Heckenast 1844. Bd. 2. 122-202, S. 148.
Eine Besonderheit der Almanache und literarischen Taschenbücher der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts besteht darin, dass den Gedichten, Balladen, Novellen etc. Abbildungen beigegeben wurden. Manchmal verwendeten die Verleger oder Herausgeber der Almanache dafür bereits an anderer Stelle veröffentlichte Bilder und machten sie durch Untertitel passend. In anderen Fällen wurden Bilder an Autorinnen und Autoren weitergegeben, die ihrerseits mehr oder weniger passende Texte dazu liefern.
Hier sehen Sie ein Beispiel aus der Thalia von 1847. Es handelt sich um eine Figur aus der Novelle „Der schwarze Mann im Kaffeehaus“ von August Schmidt (1808-1891), dem Begründer des Wiener Männergesang-Vereins.
Was gestern noch als Wahrheit hat gegolten,
Ein blinder Irrtum wird es heut gescholten.
Fehl geht, wie oft! des Forschers mühvoll Streben,
Und keine Lösung wird dem Rätsel: Leben.
Der kühnlich ragen will ins Ätherblau,
Wie häufig schwankt des Wissens stolzer Bau!
Nur was der Mund der Poesie verkündet,
Steht fest und sicher in sich selbst begründet
Und bleibt für alle Zeit in voller Kraft –
Sie ist die einz’ge wahre Wissenschaft.
Betty Paoli (1814-1894)
In der Reihe über Almanache in diesem Blog gibt es heute etwas zu sehen, worauf das Spottwort des Bibliothekars Anton Schlossar von der „Damennippes-Litteratur“ zutrifft: die Aglaja von 1823, genau gesagt den vorderen Einbanddeckel dieses schönen Produkts, das im schützenden Kartonschuber verkauft wurde:
Entgegen der Ansicht der älteren Literaturwissenschaft ist die Almanach-Literatur des neunzehhnten Jahrhunderts nicht durchwegs von geringer Qualität. Neben dem Erstdruck eines Gedichts von Friedrich Rückert finden Sie in der abgebildeten Aglaja zum Beispiel eine lesenswerte, verworrene Erzählung von Caroline Pichler und eine weniger verworrene von Helmine von Chezy.
Wie eine Singstimme durch fortgesetzte Übung an Schönheit und Rundung des Tones gewinnt, so hat das Talent der Verfasserin, durch den Fleiß, der ihr zur Seite steht, zusehends an Umfang und Tragweite gewonnen. Ich meine nicht den Fleiß, der darin besteht, tagtäglich so und so viel Bogen vollzuschreiben – den haben nur gar zu viele! – sondern die künstlerische Gewissenhaftigkeit, die alles nur leidlich Gute als ungenügend verwirft, die, statt sich mit einem à peu près zu begnügen, an einem Werk unverdrossen schafft und feilt, bis sie es von der unscheinbarsten Makel befreit und nach bestem Erkennen und Vermögen alle seine Teile harmonisch zusammengestimmt hat. Dieser Fleiß, diese unnachsichtige Strenge gegen sich selbst, diese Hingebung, die keine Mühe und Arbeit scheut, wenn sie dem im Entstehen begriffenen Werke zu gute kommen können, sie sind es, die den Künstler vom Dilettanten unterscheiden, wenn auch die ursprünglichen Anlagen beider sich zufällig die Wage halten sollten.
Betty Paoli: „Božena“. In: Gesammelte Aufsätze. Eingeleitet und herausgegebene von Helene Bettelheim-Gabillon. Wien: Verlag des Literarischen Vereins in Wien 1908 (Erstdruck in der Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung, 1876)
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchten auf dem Buchmarkt literarische Taschenbücher, auch Almanache genannt, auf, die sich an Leserinnen wenden. Diese Almanache enthalten üblicherweise Prosa- und Versbeiträge (Gedichte, Reiseberichte, Novellen, Versepen, Epigramme etc.), Bilder und gelegentlich Musikbeilagen. Und sie sind insgesamt hübsch anzusehen, was ich mit Ihnen, liebe Leserin dieses Blogs und selbstverständlich auch mit Ihnen, lieber Leser, teilen möchte.
In loser Folge werden Sie hier Titelblätter, Einbände und Abbildungen aus Almanachen aus der Zeit zwischen 1823 und 1860 finden. Den Anfang macht das Titelblatt von Gedenke mein! aus dem Jahr 1835.
Der Eine treibt’s
Der And’re schreibt’s;
So leben wir ein jeder:
Der von der Gans, der von der Feder.
Eduard Bauernfeld
Alexander von Villers in einem Brief an Ignaz von Markovics, 12.12.1879, über Weh dem der lügt von Franz Grillparzer:
Da werden Sie solche Dinge finden wie: „Ich würde rück ihn senden.“ Ebensogut könnte man sagen: Ich werde be ihn gleiten, oder seid doch so rück nicht sichtslos. Man begreift so geschmacklose Verrenkungen um so weniger, als das ganze Stück in ungereimten Jamben geschrieben ist, deren sich auch ein Speiszettel bedient.
für Alexander von Villers. Im morgigen Standard erscheint ein interessanter Artikel von Walter Kappacher über den geistreichen Herrn. Der Text erscheint in der Album-Reihe „Ein Mensch im Bild“.
Man sollte wirklich meinen, wir hätten samt und sonders nur ein paar Jahre zu leben gehabt, die hätten wir allesamt zusammengeschossen, und wie uns ein junger lebensfroher Bursche begegnete, hätten wir ihm gesagt: „Sind Sie nicht der junge Herr Goethe aus Frankfurt am Main? Da nehmen Sie uns gefälligst den ganzen Bettel ab, es ist nicht der Rede wert, tun Sies zu dem Ihrigen und machen Sie damit, was Sie wollen.“ Der hat nun zwischen Juristerei, Archäologie, Astrologie, Physik und Farbenlehre, auch zwischen Finanzreferaten und Theaterintendanturgeschäften gepfiffen und gesungen, und nun kaufen wir unsere Jugend bei Cotta zurück und studieren tiefsinnig dieselbe Lyrik, die wir selbst hätten leben, genießen, pfeifen und singen können.
Alexander von Villers an Alexander von Warsberg am 23.9.1879. Aus: Briefe eines Unbekannten. Aus dessen Nachlaß neu herausgegeben von Karl Graf Lanckoronski und Wilhelm Weigand. 2. Band. Leipzig: Insel 1910. 282f.