Samstag, 6. Juli 2013 von Karin S. Wozonig
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Fundstück zur Reisezeit

Die neue Auflage des Rechtschreib-Duden ist erschienen und die FAZ behauptet, der Reclam-Verlag folge neuerdings statt dem Duden den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz. Das würde bedeuten, es gibt kein „ß“ mehr im Reclam-Heft. Sollte es jemanden interessieren: Im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ kann man nachlesen, dass die Behauptung der FAZ nicht stimmt.

 

Dienstag, 2. Juli 2013 von Karin S. Wozonig
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Betrieblich gemachte Literatur

Neben meinen Beobachtungen zum Thema social reading und Leser(innen)beteiligung durch Laienkritik à la Amazon verfolge ich auch aufmerksam die Wandlungen des Literaturbetriebs durch die Innovationskraft der Marketingabteilungen von Verlagen und bin in diesem Zusammenhang höchst fasziniert von der Erfindung von Autorinnen und Autoren durch besagte Abteilungen.

Die Vermarktbarkeit von Schriftstellern ist heute ein wichtiger Faktor im Literaturbetrieb; und ist das fast immer schon gewesen. Das glückliche Zusammentreffen von werbungsaffinen Druckern, Verlegern und Rezensenten mit dem natürlichen Drang zur Selbstdarstellung des beworbenen Autors konnte schon im neunzehnten Jahrhundert Auflagen in mit Hilfe von ästhetischen Kriterien nicht messbare Höhen steigern. Große Verlage mit großen Marketingbudgets machen heute im Prinzip nichts anderes als ihre Vorläufer.

Aber: Große Verlage mit kluger Geschäftsleitung haben nicht nur große Werbebudgets, sondern auch effiziente Social-media-Expertinnen.* Wie es geht, macht Bloomsbury mit Samantha Shannon vor, das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ berichtet darüber.

Einen lesenswerten Beitrag zum Thema Literaturbetrieb hat Marc Reichwein für literaturkritik.at geschrieben.

* Kleine Verlage mit kluger Geschäftsleitung haben auch effiziente Social-media-Expertinnen.

Dienstag, 25. Juni 2013 von Karin S. Wozonig
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Gute Nachrichten für gute Schreiber – und für schlechte

„Usability-Guru“ Jakob Nielsen lässt uns wissen, dass gut geschriebener Text die einzige Möglichkeit ist, UserInnen dazu zu bringen, Websites zu lesen. „Information architecture“ und Layout der Seite seien auch wichtig, aber qualitativ hochwertiger Text sei das Wichtigste, womit man Userinnen und User dazu bringen kann, mehr als die durchschnittlichen 28 Prozent des Texts einer Website zu lesen.

Nun, das mag sein. Und ich bin natürlich auch dafür, dass Websites gut getextet werden. Aber: In jüngster Zeit habe ich mich verstärkt mit dem Phänomen des „social reading“ befasst. Das bezeichnet den Umstand, dass die einsame Tätigkeit des Lesens (von Literatur) sehr, sehr vielen technikaffinen Menschen zu einsam ist. Sie wollen ihren Facebook-Friends erzählen, dass sie ein Buch lesen, wo und warum sie es lesen und vielleicht auch, ob es ihnen gefällt oder nicht. Kobo und Goodreads z.B. machen vor, wie alle Möglichkeiten der virtuellen Gemeinschaftsbildung mit der Tätigkeit des Freizeitlesens von fiktionaler Literatur verknüpft werden können.

Wie aber teilt sich die soziale Leserin, der soziale Leser mit? Schriftlich. In diesen Texten wird zum Beispiel ausgedrückt, dass die Tante K. der Leserin das Buch zum Geburtstag geschenkt hat und dass das Buch dann drei Wochen auf einem Stapel neben dem Bett gelegen ist, und endlich, an einem sehr regnerischen Tag, hat die soziale Leserin dann zu diesem Buch gegriffen, hat es zuerst blöd gefunden, aber es ist dann gleich spannend geworden, und deswegen wird sie, die soziale Leserin, sich jetzt den zweiten Band der Trilogie selber kaufen. Das ist ein fiktives, paraphrasiertes Beispiel für eine Mitteilung, wie man sie auf jeder beliebigen Plattform für soziales Lesen finden kann. Interessanter als der Inhalt ist bei dieser Gemeinschaftsbildung über Bücher aus meiner Sicht aber das Wie.

Mindestens die Hälfte der gemeinschaftsbildenden Texte über Bücher, die ich bei meiner Recherche gelesen habe, sind schlecht geschrieben, nämlich grammatikalisch wie orthographisch unoriginell falsch. Und auch ihr Aufbau folgt in keiner Weise dem, was Jakob Nielsen für guten Webtext empfiehlt. Das Wichtigste steht nicht an erster Stelle, der erste Satz ist nicht voller Information und lässt keinesfalls vermuten, dass im Fortgang der Lektüre irgend eine Aussage von Relevanz zum Buch oder zur Person der Schreiberin zu erwarten wäre.

Was ich damit sagen will: Jakob Nielsen mag damit Recht haben, dass guter Webtext für Seiten, die etwas verkaufen wollen, wichtig ist. Gleichzeitig beobachte ich aber eine sehr hoheToleranz gegenüber schlechten Texten in einer Gruppe, in der ich sie nicht vermutet hätte: bei Leserinnen und Lesern von (Unterhaltungs)Literatur.

Bei sozialem Lesen (und Laienkritik) geht es nicht um Bücher, sondern um Aufmerksamkeit für die Person, die möglicherweise ein Buch gelesen haben könnte. Die lässt sich auch mit schlechten Texten erreichen.

Samstag, 15. Juni 2013 von Karin S. Wozonig
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Mehrsprachige Emotionsforschung

Für die NZZ hat die Literaturwissenschaftlerin Franziska Meier einen sehr schönen Text über den lange vernachlässigten französischen Autor François-René de Chateaubriand geschrieben. Meier schreibt über Chateaubriand so, dass ich es wieder einmal bedaure, nicht gut genug Französisch zu können, um die sprachlichen Finessen von Chateaubriands Roman „René“ (1802) genießen zu können. Der Autor hat darin “le mal du siècle” beschrieben, also das, was in der Literatur als Weltschmerz weiterlebt, ein Thema, das mich sehr interessiert.

Sowohl „René“ als auch die umfangreichen „Erinnerungen“ und einige Erzählungen von Chateaubriand sind ins Deutsche übersetzt worden, unter anderem von Stefan Zweig, wenn ich mich recht erinnere. Aufgrund der sprachlichen Unterschiede (so nehme ich an) wird aus der Innerlichkeit des französischen Autors, aus den literarischen Seufzern und der genauen Selbstbeobachtung im Deutschen aber ganz schnell ein etwas nervendes, egozentrisches Pathos. Wie auch an Byron und bei Betty Paoli zu beobachten: Weltschmerz liest sich am überzeugendsten im Original. Warum ist das so? Gibt es eine Emotionsforscherin oder einen Emotionsforscher aus der Kulturwissenschaft, die oder der darauf eine Antwort hat? Ich bitte um Hinweise und Aufklärung, danke.

Mittwoch, 5. Juni 2013 von Karin S. Wozonig
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Systemics

Ich habe als Mitherausgeberin eines Sammelbandes mit dem Titel „Die Kunst der Systemik“ fungiert und freue mich, dass das Buch jetzt erschienen ist. Das Projekt geht auf die Initiative von Roman Mikulás zurück, der in diesem Blog bereits mehrmals genannt wurde. „Systemics“ oder „Systemik“ bezeichnet, vereinfacht gesagt, die Untersuchung von Systemen unter Berücksichtigung des größeren Ganzen, mit denen die Systeme in Beziehung und Austausch stehen. Ein solcher ganzheitlicher Zugang versucht, der Komplexität von Kunst und Kunstwerken systematisch gerecht zu werden. Wie das gehen kann, dafür haben wir, Roman Mikulás, Sibylle Moser und ich, in diesem Buch Beispiele gesammelt. Sibylle Moser beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit Sprache als synästhetischem Prozess, also als Kombination unterschiedlicher Wahrnehmungsbereiche. Daneben haben wir Texte unter anderem zu Computerspielen, dem Verhältnis zwischen Kunst und Wirtschaft und zur wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung des systemischen Denkens (z.B. der Beitrag von Roman Mikulás) in „Die Kunst der Systemik“ aufgenommen.

Montag, 27. Mai 2013 von Karin S. Wozonig
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Zum Zehnjährigen ein Dank

Wir danken AUTOMATTIC für die Erfindung von WordPress. Was es sonst noch dazu zu sagen gibt, schreibt Jürgen Vielmeier auf Netzwertig.com.

Und hier gehts zur Party ->

Mittwoch, 8. Mai 2013 von Karin S. Wozonig
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Gescheitheit durch Kritik als Dichterinnenhindernis

Betty Paoli, eine der sinnigern Dichterinnen unserer Zeit, hat in ihrer Sammlung: „Lyrisches und Episches“ (Pesth, Heckenast, 1855), zum Theil die frühere Bahn, auf der sie mit großem Glück gewandelt, verlassen. … In der That, es rächt sich, wenn man einst eine sanfte, wie nur unter goldglühenden Orangen, purpurnen Granaten und mauresken Erinnerungen lebende andalusische Träumerin in der Poesie war und plötzlich sich entschließt, über das Burgtheater Recensionen zu schreiben. Betty Paoli ist eine Beurtheilerin der laufenden dramatischen Tageschronik in Wien geworden. Dieser anormale Stand hat ihr mehr kritischen Verstand aufgedrängt, als dem Herzen der Phantasie einer lyrischen Dichterin gutthut.

Karl Gutzkow über Betty Paoli, 1856

Dienstag, 7. Mai 2013 von Karin S. Wozonig
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Gescheitheit als Dichterhindernis

Die arme Paoli! die war ein Dichter, wenn sie ein bisserl weniger gescheidt gewesen wär ein noch größerer.

Ada Christen an Ferdinand von Saar, 7 Juli 1894

Freitag, 26. April 2013 von Karin S. Wozonig
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extremely charming if somewhat sad

Die Zeitschrift Musical Times and Singing Class Circular vom 1. May 1890 berichtet über ein Konzert in der St Jame’s Hall in London:

The vocalist, Mr. Norman Salmond, decidedly improved his position by his declamatory but perfectly legitimate rendering of “O ruddier than the cherry.” He also introduced an extremely charming if somewhat sad little song, “Good Night,” by Battison Haynes, in which the composer has caught the spirit of the German verses by Betty Paoli.

Die interessante Frage der Digitalisierung

Vor einiger Zeit habe ich einen Buchbeitrag zum Thema Literaturkritik im Medienwechsel verfasst. Ich habe hier in diesem Blog darüber berichtet, dass mich das Lesen einer konventionellen Buchbesprechung in einer so genannten Qualitätszeitung (gedruckt) von der Literatur wegtreiben könnte (hätte ich weniger Erfahrung mit solchen Besprechungen und mit Literatur), wohingegen mich Texte über Literatur, geschrieben von Menschen die auch Literatur schreiben, oft zur Literatur hinführen.

Über den Medienwechsel nachzudenken, bedeutet auch in Erwägung zu ziehen, dass Bücher aus Bytes weniger Buchqualität haben als Bücher aus Papier. Dagegen lässt sich einwenden, dass ohne google books oder ähnliche Digitalisierungsprojekte viele Bücher aus Papier verlorengehen würden. Oder dass manches Buch, das es nicht in die Presse schafft, elektronisch gelesen werden kann. Oder dass Literaturkonsum unter elektronischer Leserbeteiligung der Literatur einen größeren Stellenwert im täglichen Leben der Menschen einräumt; zumindest einer bestimmten Form von Literatur. In ein paar Jahren werden wir uns den Bauch halten vor Lachen über die Verwirrung, die „das Internet“ einst gestiftet hat.

Erschienen ist mein Beitrag über die Literaturkritik im Buch „Literatur und Digitalisierung“, herausgegeben von Christine Grond-Rigler und Wolfgang Straub. In ihrer Einleitung beobachten die beiden Herausgeber m.E. ganz richtig:

Die eigentlich interessante Frage ist nicht, ob es in Zukunft noch Bücher geben wird, sondern ob es weiterhin Literatur geben wird, die durch die besondere Kombination der drei Parameter Welthaltigkeit, individualisierte Autoren-Perspektive und Schriftlichkeit unser kulturelles Gedächtnis bereichern und prägen wird.