Donnerstag, 24. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Schreiben statt Kunst, Herbst 1844

Den ganzen Sommer über, den ich fern von der Stadt zuzubringen pflege, sehne ich mich nach Genüssen der Kunst, vor Allem nach Gemälden, vergegenwärtige mir jene, die ich am meisten liebe, verlange nach ihnen, wie man in tiefer Winternacht nach Morgenlicht verlangt, und wenn ich dann im Spätherbst nach der Stadt zurückkehre und nur ein paar Straßen weit zu gehen brauchte, um meine Sehnsuchtsträume zu verwirklichen – thue ich es dann? Nein. Ehe ich mich dessen versehe, sind alle meine Stunden eingeschachtelt, ich kann keine mehr zum besonderen Gebrauch herauskriegen. Die Galerien sind nur Vormittags geöffnet; da bilde ich mir nun aus alter Gewohnheit ein, ich müsse schreiben. Lächerlich. Wenn ich bedenke, womit ich die Zeit vollgeschrieben habe, möchte ich mit reuigem Bedauern seufzen: Warum bin ich nicht lieber – ich will nicht einmal sagen, in Galerien – nein! nur ganz einfach spazieren gegangen!

Betty Paoli: „Eine Gemäldesammlung in Wien.“ In: Die Grenzboten, 1844, 3. Jahrgang, 1. Semester. S. 395-417.

Sonntag, 20. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Content-Usability mit und ohne Bindestrich

Content-Usability – man könnte es auch die gute Lesbarkeit und Verständlichkeit der Inhalte von Websites nennen – ist eines der wichtigsten Themen im Zusammenhang mit dem Schreiben für das Internet. Die Elemente, die gute Content-Usability ausmachen, haben sich in den letzten Jahren verändert. Technische Entwicklungen und der Umstand, dass immer mehr Menschen das Internet selbstverständlich und souverän benutzen, haben den Zwang zur Kürze und Simplifikation aufgehoben. (Gut verständliche Sprache ohne Geschwurbel verringert aber die Anforderungen an die Leser/innen, das gilt auch für das Internet.) Für Texterinnen und Texter bedeuten diese Veränderungen mehr Freiheit beim Erstellen und Bearbeiten von Texten.

Mittwoch, 16. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Benutzerfreund über Twitter

Schon mehrmals habe ich mich in meinem Blog auf den Benutzerfreund Jens Jacobsen bezogen. Ich mag ihn, denn er weiß, wovon er spricht. Zuletzt hat sich Herr Jacobsen, wenn auch etwas widerwillig wie es scheint, mit dem Thema „Twitter“ (Microblogging) beschäftigt. Im Zuge dessen sagt er etwas, das ich in die Kategorie ewige Web-Weisheiten einreihen möchte:

Wie eine Website und ein Blog kostet Microblogging vor allem eines: Zeit. Auf einer Website sollte sich in der Regel mindestens im Monatsrhythmus etwas tun, auf einem Blog im Wochenrhythmus, bei einem Microblog im Tagesrhythmus. Der Zeitaufwand fürs Microbloggen ist zunächst einmal nicht so hoch, weil die Einträge ja mit 140 Zeichen ohnehin kurz ausfallen müssen. Aber auch diese Einträge müssen solide recherchiert sein, sie sollten entweder unterhaltsam sein oder Informationen vermitteln. Und sie sollten keine Rechtschreib- oder Grammatikfehler haben.

Sonntag, 13. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Schanzenfest reloaded

Aus Ärger darüber, dass das Schanzenfest im Juli dieses Jahres unter dem unbedachten Einsatz der Hamburger Polizei gelitten hat, gab es gestern eine neue Auflage dieser traditionsreichen und traditionell unangemeldeten Veranstaltung. Und ich war dabei. Ein friedliches Straßenfest mit Flohmarkt habe ich tagsüber erlebt und auch abends hat sich alles sehr gut angelassen. Phantasievolle Sprüche auf Plakaten waren da zu sehen und eine Kissenschlacht vor der Roten Flora, wovon das Centro Sociale ein schönes Foto in seinem Blog hat. In diesem Blog kann man sich auch über die Entwicklung von Schanze und Karoviertel in den letzten Jahren und die Auswirkungen auf die Anwohner informieren. Und wenn man es denn wissen will, kann man verstehen, dass das Schanzenfest ein politisches Statement ist.

Ich habe auf dem Schanzenfest gelernt: Für den Wert von drei Ü-Eier-Figuren bekommt man am Flohmarkt eine Taschenbuchausgabe von Goethes Schriften zur Weltliteratur (Insel 1987).

Freitag, 11. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Mysterien

Was passiert mit einem Menschen, der völlig isoliert aufwächst? Er stirbt, oder?

Dienstag, 8. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Stichwort: Emanzipation des Fleisches

Die inhaltlich und formal traditionsbeladene Diätetik Feuchterslebens, die auf die Beherrschung von Leidenschaften, Übung von Tugenden, Selbstbeobachtung und geistige Stärke abzielt, ist für die zeitgenössische Leserschaft als Gegengewicht zu einer anderen, vormärzlichen Diskursformation erkennbar. Die Dichterin und Journalistin Betty Paoli, die Feuchtersleben in den intellektuellen Wiener Kreisen des Vormärz begegnete, bemerkte im Jahr 1867: „In einer Zeit, welche die Lehre von der Emanzipation des Fleisches predigte, schrieb er auf seine Fahne den Wahlspruch: ‚Emanzipation des Geistes!‘ […] Um die [Bedeutung Feuchterslebens] aber vollkommen zu würdigen, muß man sich in die Zeit zurückversetzen, in die seine Entwicklung fiel, sich die Hindernisse vergegenwärtigen, die ihr entgegenstanden“ (Paoli 1908: 147). Die Rede von der „Emanzipation des Fleisches“ ist eine vormärzliche Chiffre, eine Körpermetapher für die Befreiung von religiösen und moralischen Zwängen.

Aus: Karin S. Wozonig: Emanzipation des Fleisches und Diätetik der Seele. Bürgerliche Selbstdisziplinierung im neunzehnten Jahrhundert. In: Marlen Bidwell-Steiner und Veronika Zangl (Hg.): Körperkonstruktionen und Geschlechtermetaphern: Zum Zusammenhang von Rhetorik und Embodiment. Innsbruck, Wien: Studienverlag 2009. S. 221-236.

Sonntag, 6. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Kaffeehausgespräche gehen weiter

Die Tradition des Salons soll nicht enden. Deshalb gehen die Kaffehausgespräche weiter. Und zwar am 16. September 2009 um 19.00 im Café Catwalk, welches früher Café Heile Welt hieß, was ganz gut gepasst hat („Catwalk“ passt immerhin zu meinem vorigen Blogeintrag). Diesmal soll es um „Lesegewohnheiten” gehen. Das ist ein Thema, das meine Ex-Ko-Salondame Maria Poets vorgeschlagen hat. Ihre Vermutung: Wir sind mit unseren Eigenheiten (Banknoten als Lesezeichen, farblich sortierte Bücherstapel, Gedichte nur an ungeraden Tagen…) nicht allein. Ich bin gespannt.

Donnerstag, 3. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Herbstmode

Wiener Mode-Bazar

Die letzten Sommertage, leider sind sie schon da! geben den Mousselines und brochirten Organdis noch den letzten Schwung. Die Volans machen diese Toilette frischer und hübscher. Schöne und einfache Toilettes geben die Mousselinkleider mit kleinen Streifen aus einem rosa, blauen, lilas Faden; drei oder vier Volans in derselben Nuance; Ermeln à la jardinière, und ein Fichu à la Charlotte Corday, aus ähnlichem Stoffe, dessen Vordertheile sich auf der Brust kreuzen, und wieder nach rückwärts gehend einen Gürtel bilden.

Allgemeiner Welt-Kourier. Wöchentliche Beilage zum Humoristen von M. G. Saphir (Zweiter Jahrgang). Nro. 36, Montag, 3. September 1838

Dienstag, 1. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Grillparzer und die schreibenden Frauen

Vor einigen Tagen war in diesem Blog von der Dichterin Josephine von Remekházy (1809–1897) die Rede. Die Hauptfigur ihres erwähnten Almanach-Beitrags Fantasien eines Geisteskranken lässt sie sagen:

Aber man gibt mir zu wenig Papier, ja ich schreibe nur verstohlen. – […] Aber ich weiß mir stets zu helfen; wenn man mich nicht schreiben läßt, denk‘ ich doch etwas, und ich rathe es Allen an, die man einem ähnlichen Zwange unterwirft.

Der Autorin Remekházy schrieb Franz Grillparzer ins Stammbuch:

Jung, schön und reich,
Und dennoch Dichterin?
Im Wünschen und im Singen
Strebt sonst man nur nach Dingen,
Die man noch nicht besitzt:
Du hast, was Menschen haben,
Die höchsten Schicksalsgaben,
Des Wirklichen Gewinn;
Und dennoch Dichterin?

Grillparzer, Wien am 31. Mai 1838

Samstag, 29. August 2009 von Karin S. Wozonig
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Aus dem Stammbuch der Baronin Josephine von Remekházy

Der Almanach Thalia von 1847 enthält eine Musikbeilage. Es handelt sich um die Vertonung eines Gedichts von Salomon Hermann Mosenthal von Joseph Dessauer:

Dieser Almanach enthält auch Fantasien eines Geisteskranken, ein Prosastück von Josephine von Rémekhazy, in dem der Insasse einer Irrenanstalt aus seinen früheren Leben erzählt. Der Text endet mit folgender Passage:

Wie viele Episoden möcht‘ ich noch aufzeichnen! Aber man gibt mir zu wenig Papier, ja ich schreibe nur verstohlen. – Der Doctor sagt, ich hätte zu viel gelesen und mein Kopf sei schwach. Gegenwärtige Zeit ist für mich die trübseligste, und wäre die Natur nicht immer für mich grün – ich habe mir eine grüne Brille gekauft – so müßte ich verzweifeln. – Aber ich weiß mir stets zu helfen; wenn man mich nicht schreiben läßt, denk‘ ich doch etwas, und ich rathe es Allen an, die man einem ähnlichen Zwange unterwirft.